Transcription of the letter | ER/RA
18. Oktober, 1955
Herrn Paul Sacher,
Schönenberg,
Pratteln (Basel).
Lieber Herr Sacher,
Vielen Dank für Ihren Brief vom 14. ds. Die Partitur GILGAMESCH habe ich richtig erhalten und bin sehr froh, dass ich sie noch ein paar Tage behalten darf. Ich habe sie durchgeflogen, aber möchte nicht gerne auf Grund einer so flüchtigen Lektüre urteilen.
Mit Cymbalum-Spielern steht es nicht sehr gut. Hier ist ein Engländer, der das Instrument vollständig beherrscht und ein ausgezeichneter Musiker ist: Mr. Gilbert Webster (B.B.C. Symphony Orchestra) Flat 1, 94 New Cavendish Street, London, W. 1. Ausserdem gibt es hier ein paar Ungaren, die in Hotels spielen, aber keiner kann Noten lesen. Mr. Gilbert Webster bemüht sich, einem von ihnen den zweiten Cymbal-Part der Kalló-Volkstänze beizubringen und wenn es ihm gelingt, dann soll das Stück hier etwa ein halbes Dutzend mal aufgeführt werden. Haben Sie dieses Stück im Auge? Dann liesse sich die Sache mit den beiden Spielern einrichten.
Mit “Renard” bin ich – ich muss es zu meiner Schande gestehen – überfragt. Ich könnte mir eigentlich nicht denken, dass Strawinskys Französisch im Jahre 1916 gut genug war – aber so etwas hat den Meister nicht immer abgehalten (da er nun einmal eine tyrannische Natur ist!)
Hoffentlich können Sie etwas Authentisches darüber finden. Ich habe wohl bald Gelegenheit ihm zu schreiben und kann ihn dann fragen.
Inzwischen grüsse ich Sie herzlich,
Ihr,
[podpis]
Dr. E. Roth.
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